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Biodiversität und ein zukunftstaugliches Mobilitätskonzept – Das Ziel: realistischer Klimaschutz

Biodiversität und ein zukunftstaugliches Mobilitätskonzept – Das Ziel: realistischer Klimaschutz

Biologin Freya Jockenhövel ist neue Klima- und Umweltschutzmanagerin der Gemeinde Schermbeck

Zur Person
Freya Jockenhövel, 25, ist seit dem 1. September 2022 Klima- und Umweltschutzmanagerin der Gemeinde Schermbeck. Sie lebt in Recklinghausen und hat an der Ruhr-Universität Bochum ein Bachelor- und Masterstudium Biologie abgeschlossen und sich während des Studiums auf Molekularbiologie, Mikrobiologie und Virologie spezialisiert.

SCHERmyBLOG: Wie hat Ihr Masterabschluss in Biologie Sie auf die Aufgaben in Ihrem neuen Job vorbereitet?

Freya Jockenhövel: Das Studium hat mir ein breit gefächertes Wissen vermittelt. So konnte ich unter anderem verstehen, wie komplex unsere Erde ist und wie empfindlich das Gleichgewicht, das sie am Leben hält. Jedes Mitglied in einem Ökosystem ist wichtig, selbst die kleinsten Insekten. Durch das Studium bin ich besonders darauf aufmerksam geworden, wie sehr wir Menschen unseren Planeten zu Grunde wirtschaften, was mich letztendlich dazu bewegt hat, einen Job im Klima- und Umweltschutz zu ergreifen.

Zudem habe ich als Wissenschaftlerin gelernt, objektiv und faktenorientiert zu arbeiten, was in meinem Job als Klima- und Umweltschutzmanagerin sehr hilfreich ist. Selbstverständlich würde es dem Klima helfen, wenn niemand mehr Auto fährt, sich alle vegan ernähren und jedes Grundstück einem Insektenparadies gleicht. Diese Szenarien werden realistisch betrachtet aber nicht eintreffen. Man darf sich nicht in Träumereien und Utopien verlieren. Ich finde es wichtig, realistisch zu bleiben und Projekte anzustoßen, die umsetzbar sind, um wirklich einen Unterschied machen zu können. Was nützen 100 tolle Ideen, wenn nicht eine davon realisierbar ist? Ich möchte Klimaschutz zum Anpacken betreiben, um die Schermbecker Bürgerinnen und Bürger zum Mitmachen zu motivieren!


SCHERmyBLOG: Was war Ihre erste Amtshandlung bzw. wie haben Sie sich inzwischen eingearbeitet?

Freya Jockenhövel: Meine erste Amtshandlung war tatsächlich zunächst den Status Quo zu ermitteln. Ich habe aktuelle Daten zur Klimabilanz in Schermbeck analysiert, mit dem Klimaschutzkonzept der Gemeinde verglichen und vergangene sowie noch laufende Projekte überprüft um zu schauen, wo ich ansetzen kann. Es ist wichtig, einen Überblick darüber zu behalten, was das grundlegende Ziel des Klimaschutzes in Schermbeck ist, nämlich CO2-Emissionen zu senken. Hier gilt natürlich: viele Wege führen nach Rom. Inzwischen habe ich mich sehr gut eingearbeitet und bin dabei, sowohl alte Projekte weiterzuführen als auch neue Ideen umzusetzen.


SCHERmyBLOG: Was werden Sie als Erstes umsetzen?

Freya Jockenhövel: Tatsächlich gibt es nicht das eine große Projekt, das auf der Prioritätenliste ganz oben steht und als erstes umgesetzt wird. Klimaschutz ist breit gefächert und damit auch mein Aufgabenbereich. Zum einen habe ich bereits Kontakt zu den Schulen in Schermbeck geknüpft, um mich dort einzubringen und bereits den kleinsten Schermbeckerinnen und Schermbeckern Klima- und Umweltschutz nahezulegen. Ich finde es wichtig, dass sich Kinder mit diesen Themen frühzeitig auseinandersetzen. Außerdem steht der Bereich Mobilität auf meiner Agenda. Der Verkehr in Schermbeck ist nach wie vor der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen vor Ort. Dabei möchte ich Themen wie Bürgerbusse, Mobilstationen und Ladesäuleninfrastruktur angehen. Als Biologin liegt mir natürlich auch das Thema Biodiversität sehr am Herzen. Schermbeck ist schon wunderbar grün und bietet vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum. Das möchte ich unbedingt erhalten!


SCHERmyBLOG: Worin sehen Sie für Schermbeck die Projekte mit dem größten Erfolgshebel für die CO2-Reduzierung?

Freya Jockenhövel: Wie bereits erwähnt ist der Verkehrssektor der größte Emittent von Treibhausgasen in Schermbeck. Deshalb ist es unumgänglich, das Thema nachhaltige Mobilität anzugehen. Dabei ist es zum einen wichtig, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und ihnen bewusst zu machen, dass jeder für seinen eigenen CO2-Fußabdruck verantwortlich ist. Jeder kann seinen Teil zur Reduzierung von Treibhausgasen beitragen, indem z. B. ein autofreier Tag in der Woche eingeführt wird. Außerdem müssen nachhaltige Alternativen angeboten werden! Für Schermbeck finde ich das Thema Mobilstationen sehr spannend, also Standorte, an denen Fahrräder, E-Bikes oder auch Lastenräder ausgeliehen werden können. Das Problem sind nämlich größtenteils die vielen Kurzstrecken von meistens unter einem Kilometer, die in Schermbeck mit dem Auto zurückgelegt werden. Mal eben zum Supermarkt, kurz zur Apotheke oder sich mit Bekannten auf einen Kaffee treffen. Da möchte ich anregen, diese Strecken z. B. mit dem Fahrrad zurückzulegen. Lastenräder eignen sich super zum Einkaufen und mit einem E-Bike können auch weite Strecken schnell zurückgelegt werden. Weitere Möglichkeiten bieten der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur, damit mehr Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich für ein E-Auto zu entscheiden, oder auch die Etablierung von Bürgerbussen, die in vielen Nachbarkommunen bereits ein Erfolgsmodell sind!


SCHERmyBLOG:
 Welche Themen gibt es für Jugendliche, Familien und Senioren, die jeder sofort umsetzen könnte?

Freya Jockenhövel: Da gibt es natürlich unzählige Möglichkeiten, aktiv etwas zum Klima- und Umweltschutz beizutragen. Ich denke, jeder muss da für sich die Art und Weise finden, die am besten zur jeweiligen Lebenssituation passt. So verursacht als Beispiel ein Jugendlicher kaum Emissionen im Verkehr, da er noch keinen Führerschein hat, bestellt dafür aber wöchentlich 10 Pakete, wovon die Hälfte wieder zurückgeschickt wird. Hier könnte man ansetzen und schauen, ob vieles nicht auch regional eingekauft werden kann. Oder die Pendlerin, die jeden Tag einen Arbeitsweg von 50 Kilometern hat und nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen kann. Da könnte man sich zum Beispiel angewöhnen, vorausschauend und nicht zu schnell zu fahren. Dies schont nicht nur das Klima, sondern auch den Geldbeutel. Der ADAC hat aufgezeigt, dass man bei 160 km/h zwei Drittel mehr Sprit verbraucht als bei 100 km/h. Auch der Rentner, der jeden Morgen sein Wurstbrot isst, könnte einen fleischfreien Tag in der Woche einlegen und würde damit gleich noch etwas für die Gesundheit tun. Diese Dinge klingen so banal, aber sie summieren sich eben, wenn jeder aktiv hinschaut und versucht, seinen Beitrag zu leisten, auch wenn er sich noch so klein anfühlt. Niemand erwartet, dass jemand sein Leben von heute auf morgen komplett umkrempelt. Man kann schon viel erreichen, indem man auf Kleinigkeiten achtet. Folgende 10 Klimatipps können zum Beispiel einfach in den Alltag integriert werden:

1. Regional und saisonal einkaufen
2. Second-Hand einkaufen
3. Häufiger auf tierische Produkte verzichten
4. Weniger Lebensmittel verschwenden
5. Häufiger aufs Auto verzichten, bei Nutzung vorausschauend fahren
6. Ökostrom beziehen
7. Beim Neukauf von Geräten auf die Energieeffizienz achten
8. Ausschalten statt Stand-By
9. Waschmaschine vollmachen und bei niedriger Temperatur waschen
10. Energiesparende LEDs nutzen


SCHERmyBLOG: Was könnte/müsste zentral organisiert werden?

Freya Jockenhövel: Wichtig ist es, die Bürgerinnen und Bürger dabei zu unterstützen, ihren eigenen CO2-Fußabdruck zu minimieren. Dies geschieht z. B. durch Beratungsangebote wie die Energiesprechstunde mit Akke Wilmes, einem unabhängigen Berater der Verbraucherzentrale, die aktuell jeden zweiten Dienstag online stattfindet (bei Interesse gerne bei mir melden). Auch durch Aktionen wie Stadt-Land zu Fuß oder beim Stadtradeln soll dem Thema Nachhaltigkeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein weiterer Bereich, auf den wir als Kommune Einfluss nehmen können ist z.B. die Verkehrslage innerhalb Schermbecks. Mit dem neuen Verkehrskonzept und der damit angestrebten Verkehrsvermeidung können Treibhausgase eingespart werden. Auch im Bereich erneuerbare Energien sind wir up-to-date: Durch die Windkraftanlagen in Schermbeck wird jährlich mehr Energie generiert, als unsere gesamte Gemeinde verbraucht!


SCHERmyBLOG:
 Wie ist Ihre Standortbestimmung/-einschätzung nach Ihren bisherigen Wochen als Klimamanager in Schermbeck?

Freya Jockenhövel: Was mir an Schermbeck besonders gut gefällt, ist das Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Hier möchte jeder mit anpacken und seine Gemeinde lebenswert erhalten! Ich als Stadtkind kenne das leider ganz anders, dort ist es vielen Menschen gleichgültig, was in ihrer Heimatstadt passiert. In Schermbeck besteht eine richtige Gemeinschaft, in der jeder etwas beitragen möchte. Das konnte ich auch bereits in meinem Arbeitsalltag spüren: Es haben sich schon einige Bürgerinnen und Bürger bei mir gemeldet, um mir ihre Ideen zum Thema Klima- und Umweltschutz in Schermbeck vorzustellen. Das freut mich natürlich ganz besonders! Klima- und Umweltschutz kann nur gemeinsam funktionieren. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch nochmal erwähnen, dass ich immer ein offenes Ohr für Ideen, Anliegen oder Anregungen habe. Man kann mich telefonisch unter 02853/910304 erreichen oder per E-Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..



SCHERmyBLOG: Mit welchen realistischen Maßnahmen können sich Unternehmen am Klimaschutz beteiligen?

Freya Jockenhövel: Unternehmen haben vielfältige Möglichkeiten, sich aktiv am Klimaschutz zu beteiligen, z. B. durch energetische Sanierung der eigenen Standorte, Umstellung der Flotte auf E-Mobilität, Anlegen von Grünflächen auf dem Gelände, nach Möglichkeit die kürzesten Transportwege wählen, regionale Bio-Verpflegung in der Kantine und noch viel mehr! Auch hier fungiere ich gerne als Ansprechpartnerin und gebe bei Bedarf Tipps und Ideen, wie ein Unternehmen klimafreundlicher werden kann. An dieser Stelle möchte ich auch unbedingt auf das Projekt Ökoprofit hinweisen, das dieses Frühjahr erneut startet. Dies ist ein Gemeinschaftsprojekt aller Kommunen im Kreis Wesel und wird durch das Kreis-Klimabündnis angeboten. Ziel dabei ist es, Unternehmen nachhaltig ökonomisch zu stärken unter Berücksichtigung der Klimafreundlichkeit sowie der Wirtschaftlichkeit. Auch jetzt ist eine kurzfristige Anmeldung noch möglich! Interessierte Unternehmen können sich auch diesbezüglich gerne bei mir melden.


SCHERmyBLOG:
 Was empfehlen Sie kleinen und mittelständischen Unternehmen?

Freya Jockenhövel: Kleine und mittelständische Unternehmen haben häufig weniger finanziellen Spielraum als Großbetriebe was das Thema Nachhaltigkeit angeht. Teilweise fehlt einfach das Geld, um z. B. neue E-Autos und entsprechende Infrastruktur anzuschaffen. Doch Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus! Hier ist besonders das Thema energetische Sanierung interessant, da dadurch langfristig Geld eingespart wird. Auch die Anschaffung von Photovoltaik-Anlagen rentiert sich häufig besonders in Unternehmen, da die tagsüber generierte Energie direkt genutzt werden kann.

Tipp: Das Land NRW hat ein Förderpaket speziell für kleine und mittelständische Unternehmen herausgebracht. Mehr dazu unter www.energy4climate.nrw/industrie-produktion/klimaneutraler-mittelstand.de


SCHERmyBLOG: Welche Beratung können Unternehmen in Schermbeck hinsichtlich Klimaschutz in Anspruch nehmen?

Freya Jockenhövel: Es gibt mehrere Möglichkeiten für Unternehmen, sich in Schermbeck beraten zu lassen. Beratungsdienstleister wie Akke Wilmes von der Verbraucherzentrale oder Kilian Zens bieten individuelle Energieberatungen an. Selbstverständlich stehe ich auch als Ansprechpartnerin für Fragen zur Verfügung.


SCHERmyBLOG:
 Was würden Sie für das Klima tun, wenn Sie drei Wünsche frei hätten?

Freya Jockenhövel: Als erstes würde ich weltweit die industrielle Massentierhaltung abschaffen. Ich habe ein großes Herz für Tiere und es tut weh zu sehen, wie Millionen Nutztiere unter unvorstellbaren Bedingungen gehalten werden, damit die Konsumenten ein paar Euro weniger für Fleisch, Eier oder Milch zahlen müssen. Die Nutztierhaltung verursacht 20 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen und trägt somit maßgeblich zum Klimawandel bei. Wer also aktiv etwas zum Klimaschutz beitragen möchte, sollte seinen Konsum von tierischen Produkten reduzieren und beim Kauf auf Regionalität und gute (Bio-)Qualität achten.
Als nächstes würde ich den heutigen Stand der Forschung um 100 Jahre erweitern. Wenn man überlegt, wieviel Fortschritt die Menschheit in den letzten 100 Jahren hinsichtlich Technologien wie E-Mobilität, Photovoltaikanlagen oder Windkrafträdern gemacht hat, bin ich davon überzeugt, dass wir mit dem Wissen von 2123 alle Mittel hätten, den Klimawandel aufzuhalten. Aktuell wird zum Beispiel an Bakterien geforscht, die in der Lage sind, Mikroplastik zu zersetzen! Das Problem aktuell ist, dass wir kaum noch Zeit für bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen haben, da der Klimawandel bereits in vollem Gange ist.
Dann wollte ich mir zunächst als letztes wünschen, dass der Klimawandel einfach nicht mehr existiert. Dann bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass dies unser Problem nur weiter in die Zukunft verlagern würde. Auch wenn der jetzige Klimawandel gestoppt werden würde, alle Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt werden und die Erdtemperatur sich wieder normalisiert, würden wir Menschen mit unserem jetzigen Verhalten spätestens in 50 Jahren den nächsten Klimawandel verursachen. Deswegen ist mein letzter Wunsch, dass ein Umdenken stattfindet. Nur durch unser Verhalten können wir unsere Zukunft beeinflussen, zum Positiven oder Negativen. Ich wünsche mir, dass wir alle an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, unseren Planeten und unsere Heimat zu schützen und zu erhalten!

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