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Schermbeck als Land der Wölfin – Traum oder Albtraum?

Was Gloria mit dem Klimaschutz zu tun hat

Je höher der Stellenwert des Umweltschutzes bei uns wird und je größer das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Artenvielfalt, desto mehr Fragen wirft das neue Nebeneinander von Mensch und Natur auf. Vor rund 150 Jahren wurde bei uns jeder Wolf erschossen oder in Fallen gefangen, der sich als Symbol der bedrohlichen Natur in die Nähe der Menschen wagte. Etwa um 1850 war der letzte Wolf tot. Und auch in der Zeit danach wurden einzelne einwandernde Wölfe erschossen, wenn sie sich über die Grenze auf deutsches Territorium wagten. Erst um die Jahrtausendwende änderte sich die öffentliche Meinung: Der Wolf ist heute europaweit streng geschützt. Die Verfasser des Naturschutzgesetzes wollen Wölfe in Europa und in Deutschland. Sie nehmen dafür einiges in Kauf: hohe Kosten für die Kompensation gerissener Tiere und viele Konflikte zwischen Land- und Stadtbevölkerung. Für letztere ist die Rückkehr der Wölfe oft begleitet von sentimentalen Wehmutsgefühlen: Wir haben noch heile Natur, die Gegenwart des scheuen Beutegreifers zeigt das doch.

Städter lieben den Wolf, die Landbevölkerung sieht das differenzierter

Wer ländlich lebt weiß, dass die Rückkehr des Wolfes zwar eine schöne Vorstellung ist, unter den gegebenen Umständen aber kaum praktikabel. Jedenfalls dann nicht, wenn unser zersiedeltes Land genauso bleibt, wie es bisher war. Dann passen zwischen Straßen, Siedlungen und Weiden nicht einfach so auch noch Wölfe. Wer Natur will, muss im Bewusstsein haben, dass sie sich nicht zwingen und beherrschen lässt. Gloria, die Weseler Wölfin, macht das von allen inzwischen wieder eingewanderten Wölfen mit am deutlichsten sichtbar: Sie hält sich nicht an Zaunhöhen, Stromstärke und Herdenschutzhund-Vorkommen. Sie erbeutet auf hermetisch abgesicherten Weiden Tiere, die ihr eigentlich nicht zustehen.

Wieder Platz schaffen für die Natur

Wenn wir den Naturschutz ernst meinen würden, dann wäre eine Voraussetzung, Platz zu schaffen für die zurückkehrenden Wölfe. Dann würden zusammenhängende Wälder und ein ungestörtes Ökosystem mit jagenden und Beutetieren entstehen. Dann würden Nutztierhalter nicht in Wolfsrevieren arbeiten müssen, um ein Auskommen zu haben. Dann gäbe es Schutzräume vergleichbar mit dem Yellowstone Nationalpark in den USA, in dem viele Wolfsrudel unbehelligt und weitgehend ungestört leben, nur umgeben von anderen wilden Tieren, die vor ihnen weglaufen können, wenn Wölfe auf sie Jagd machen.

Konflikte sind derzeit nicht zu vermeiden – Tierleben steht gegen Tierleben

Schafe und Ziegen sind in unserer Kulturlandschaft wichtig für den Umwelt- und Klimaschutz. Sie halten Flächen kurz, erlauben es vielen Pflanzen zu wachsen und sich auszubreiten. Das wiederum kommt den Insekten zugute, deren langsames Verschwinden wir noch viel zu wenig beklagen. Die stationäre Nutztierhaltung und Wanderschäferei sind essentiell für die heimische Biodiversität. Und schon ohne den Wolf war dieser Beruf nur mit viel Idealismus und noch mehr Langmut zu betreiben. Mit dem Wolf und dem bisherigen unzureichenden Umfang an Fördermaßnahmen für Tierhalter muss es zwangsläufig zu Konflikten kommen – existentieller Natur.  

Wenn wir den Wolf wirklich wollen

Wenn wir die Frage stellen, ob wir mit dem Wolf in Deutschland leben möchten, dann ist das zugleich die viel komplexere Frage nach Umwelt- und Klimaschutz. Denn indem wir Platz machen würden für den Wolf und eine friedliche Koexistenz mit ihm eingingen, müssten wir nicht ebenso Platz machen für bedrohte Vogelarten, Insekten und Feldhamster? Es ist die alles entscheidende Frage: Wollen wir mit der Natur leben? Oder missachten wir sie weiterhin und beuten sie für unsere Bedürfnisse aus? Im Moment werden Wölfe in einer Kulturlandschaft zugelassen, die ohne sie entstanden ist, da die Tiere über 150 Jahre in dieser Landschaft fehlten. Das baden Nutztierhalter aus, die zwar finanziell und beratend unterstützt werden, aber denen lange nicht die Unterstützung zuteilwird, die sie bräuchten: nämlich Nachtwachen und Fachkraftstunden um den geeigneten Schutz einzurichten. Dank reichlich Schafen und Ziegen kommt Gloria wenigstens uns Menschen nicht zu nahe. Aber sie entwickelt sich für die Schäfer immer mehr zu einer untragbaren Belastung.

Sie als Problemwölfin zu entnehmen, kommt meines Erachtens nicht in Frage. Denn sie hat bisher nichts getan, was nicht in ihrer Natur läge. Sie hält nur nicht hasenfüßig vor einem Stromdraht an und ist wagemutiger, als sich die Wolfsmanager das vorgestellt haben. Außerdem muss sie uns als Symbol dafür erhalten bleiben, dass Umwelt- und Klimaschutz nicht Makulatur sein dürfen. Sie macht es unmöglich, das Zusammenleben mit wilden Tieren zu romantisieren in einer Welt, in der wir schon lange keinen Platz mehr für sie übrighaben.

Dieser Artikel gibt meine Meinung wieder. In einem Radiofeature für WDR habe ich mich dem Thema weniger meinungsfreudig genähert und mit vielen – vor allem jungen Protagonisten – ausgelotet, was wir über den Wolf wissen müssen, um beruhigt mit ihm leben zu können. Hier ist das Feature noch ein Jahr lang anzuhören: Zum Radiofeature

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

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